Die Suche nach dem richtigen Einstiegszeitpunkt ist für Privatanleger und sogar Investoren eine der schwierigsten Aufgaben. Dabei spielen Konjunkturzyklen eine wichtige Rolle.
Inhaltsverzeichnis
Was sind Konjunkturzyklen?
Unter Konjunktur werden die Schwankungen verstanden, denen das Produktionspotenzial einer Volkswirtschaft unterliegen. Diese wirken sich auch auf Zinssätze, Beschäftigung und Preise aus. Dass die Konjunktur, also die Kapazitätsauslastung, sich wellenförmig verändert, ist üblich.
Wie lange ein Konjunkturzyklus und die einzelnen Phasen dauern, ist dabei unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zudem gibt es diverse Theorien von Investitionszyklen, die auch unterschiedliche Definitionen nutzen. Im Rahmen des bekanntesten Modells mit Aufschwung, Boom, Rezession und Tiefstand lässt sich jedoch feststellen, dass die Phasen des Abschwungs deutlich kürzer sind als die des Aufschwunges. So wurden für die USA zwischen 1945 und 2001 ermittelt, dass Aufschwünge bis zu 57 Monate dauerten, Abschwünge hingegen nur zehn Monate.
In Deutschland herrscht im Gegensatz zu den USA keine offizielle Klassifikation vor. Allerdings können sechs volle Zyklen erkennen, wobei erkennbar ist, dass der Rückgang deutlicher wird.
Welche Phasen gibt es in einem Konjunkturzyklus?
Im Rahmen der Konjunkturzyklen werden vier Phasen unterschieden:
- Aufschwungphase (Prosperität, Expansion)
In der Aufschwungphase steigen die Auftragsbestände und die Produktion nimmt zu. Als Konsequenz sinkt auch der Anteil an Arbeitslosen. In der Regel herrscht zu dieser Zeit eine geringe Inflation und auch die niedrigen Zinsen steigen wieder. Optimistische Prognosen hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung sorgen zudem zu wachsendem Vertrauen von Anlegern und Bevölkerung. In der Aufschwungphase werden private Investitionen und Konsum vermehrt getätigt, die Löhne steigen und das Volkseinkommen nimmt zu. Auch die Kapazitätsauslastung wird optimiert.
- Hochkonjunktur (Boom)
In Boom-Phasen sind die Kapazitäten der Volkswirtschaft vollständig ausgelastet, im Optimalfall herrscht deswegen sogar Vollbeschäftigung. Preise, Zinsen und Löhne nehmen weiter zu. Allerdings ist eine Steigerung des realen Volkseinkommens nicht mehr möglich. Die weitere Zunahme der Produktion führt zu einer Überhitzung des Marktes. Die steigenden Zinsen wegen der hohen Kreditnachfrage zusammen mit vermehrten Fehlinvestitionen aufgrund eines zu hohen Risikos und Optimismus führen dann dazu, dass viele Unternehmen Probleme bekommen.
Zudem tritt eine Marktsättigung ein. Charakteristika dieser Marktsättigung sind:
- eine nur noch geringe Steigerung des Marktvolumens oder sogar Stagnation und Schrumpfung in Teilmärkten und Preisverfall.
- Das führt in der Regel dazu, dass sich kleine und weniger produktive Firmen nicht halten können und Firmenübernahmen begünstigt werden.
- Die vormals polypolistischen Marktstrukturen werden also durch oligopolistische Strukturen entsetzt.
- Das Bruttoinlandsprodukt steigt zwar immer noch, allerdings sinken die Wachstumsraten.
- Rezession (Abschwung)
Von einer Rezession wird im allgemeinen dann gesprochen, wenn die Volkswirtschaft in zwei Quartalen hintereinander im Vergleich zu den Vorquartalen nicht wächst oder sogar einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukt zu verzeichnen ist. Es gibt jedoch noch andere Definitionen.
In der Rezession geht die Nachfrage zurück, was zu überfüllten Lagern führt. In der Folge werden Überstunden abgebaut und Kurzarbeit verstärkt eingesetzt. Investitionen werden nicht oder nur noch selten getätigt. Zudem stagnieren Preise, Löhne und Zinsen, die Börsenkurse fallen und Produktionsanlagen werden teilweise stillgelegt.
- Depression und Konjunkturtief
Durch den Abschwung gerät die Volkswirtschaft in einen Tiefstand, der auch als „Konjunkturtief“ bezeichnet wird. Hält dieser Tiefstand länger an oder wird durch weiter Abwärtsbewegungen sogar noch fortgesetzt, handelt es sich um eine Depression. Eine Depression hat die folgenden Merkmale:
- Wirtschaftliche Tätigkeit geht zurück
- Weiter wachsende Arbeitslosigkeit
- Fallende Börsenkurse
- Deflation
- Aufbrechen von Strukturkrisen wie Überkapazitäten in einzelnen Branchen
- Bevölkerung, Unternehmen und Investoren verlieren zunehmen das Vertrauen in die Volkswirtschaft
Wie hängen Börse und Konjunktur zusammen?
Die Börse spiegelt die Konjunktur nicht immer vollständig wieder. Allerdings lässt sich eine sehr enge Korrelation beobachten, die nur selten deutlich durchbrochen wird. Auch in den verschiedenen Konjunkturphasen ist das Börsengeschehen eines der typischen Merkmale, sodass sich die Aktienmärkte sehr eng an der Konjunktur orientieren.
Einer der wichtigsten Gründe ist hierbei natürlich auch die Tatsache, dass sowohl bei den Aktienkursen als auch bei der Konjunktur mitbestimmend ist, wie optimistisch die Anleger, Investoren und Konsumenten sind. Schon alleine deswegen wirken ähnliche Faktoren auf Konjunktur und Börse und verknüpft die Wirkung miteinander.
Tatsächlich ist die Börse der Konjunktur häufig sogar zwei Schritte voraus. Es lässt sich empirisch untermauern, dass die Aktienmärkte weit früher reagieren. So hat Hans-Jörg Naumer, Leiter der Investor-Information beim Deutschen Investment-Trust in einer Studie die Veränderungsrate der Aktienmärkte um zwei Quartale nach vorne verschoben.
Auf diese Weise verhalten sich Börse und Steigerung des BIPs ausgesprochen ähnlich, auch wenn es durchaus zu leichten Zeitverzögerungen und stärkeren Bewegungen kommen kann.
Wann ist der beste Einstieg in den Aktienmarkt?
Viele Aktionäre kennen den Tipp, dass die Geldanlage schon vor dem Ende einer Rezession optimal ist. Der Hintergedanke ist, dass der Aktienmarkt die Unternehmensgewinne bereits vor dem Aufschwung vorwegnehmen würde.
Aus der zeitlichen Verzögerung ergibt sich, dass der optimale Einstieg in den Handel mit Aktien hinsichtlich der allgemeinen Markttendenzen bereits ein halbes Jahr vor einem Aufschwung beginnt. Dies ist zwar eine interessante Beobachtung, allerdings ist sie gerade für Privatanleger nur bedingt geeignet. Nur weil Aktienkurse zeitweilig zulegen, bedeutet dies nicht, dass die Konjunktur sich tatsächlich erholt und die Wertpapiere demzufolge weiter an Wert gewinnen.
Allein aus der Korrelation zwischen Wachstum der Volkswirtschaft und der Börse lässt sich also nicht ableiten, wann ein guter Einstiegszeitpunkt wäre. Das Problem hierbei ist, dass die Börse die Aufwärtsphase bereits vor der Konjunktur beginnt und Prognosen deswegen mit Unsicherheiten behaftet sind. Zudem sind Aktionäre meistens selbst bei Erholungszeichen der Konjunktur skeptisch. Es ist immerhin zu befürchten, dass die Notenbanken die Zinsens wieder anheben, sodass auch eine Erhöhung der Inflationsrate droht. Wie groß dieses Problem ist, hängt natürlich auch von den geldpolitischen Maßnahmen und der so erzielten Preisstabilität zusammen.
Wie hängen Rohstoffe und Konjunkturzyklus zusammen?
Wer in Rohstoffe investieren möchte, sollte den Konjunkturzyklus ebenfalls im Auge behalten. Allerdings muss hierfür die Weltkonjunktur beachtet werden und nicht nationale Stimmung als entscheidend gelten. Lediglich die USA und China wirken sich hier deutlicher aus. Da die Rohstoffpreise vor allem von Angebot und Nachfrage bestimmt werden, ist es natürlich auch die Konjunktur, die über die Nachfrage die Preise bestimmt. Doch auch das Angebot wird zumindest teilweise durch die Konjunktion mitgeprägt. Auch dieses kann durch vermehrte Investitionen wachsen, was dann den in der Rezession bekannten Preisverfall bewirken kann.
Wie sich der Konjunkturzyklus auf die einzelnen Rohstoffpreise auswirkt, hängt jedoch ebenfalls vom Rohstoff ab. Häufig verhalten sich die Rohstoffe jedoch ähnlich. Erforscht ist die Zusammenwirkungen von Rohstoff und Konjunktur vor allem am Rohöl. So konnten James D. Hamilton (1983) feststellen, dass sieben der acht von ihm untersuchten US-amerikanischen Rezessionen ein erheblicher Ölpreisanstieg vorausging. Umgekehrt werden niedrige Rohölpreise aufgrund ihrer Bedeutung für Industrie und Transport ebenfalls häufig als konjunkturfördernd bezeichnet. Allerdings soll die Senkung des Ölpreises nicht im gleichen Maße positiv wirken, wie die Erhöhung negativ auf die Märkte wirkt.
Auch hier ergibt sich für die Anleger allerdings ein wesentliches Problem: Ein Anstieg des Rohstoffpreises geht einer Rezession voraus, nicht umgekehrt. Grundsätzlich gilt jedoch, dass Rohstoffpreise vor allem im Rahmen der Hochkonjunktur zulegen.
Die sechs Stadien des Intermarket-Zyklus
John Murphy hat die Zyklen des Intermarket hinsichtlich Aktien-, Bond und Rohstoffmärkten betrachtet und dabei sechs idealtypische Zyklen der drei Märkte gefunden. Daraus lässt sich ableiten, wann eine Investition in welchen Markt sinnvoll sein kann. Allerdings kann es durchaus zu Abweichungen kommen.
- Stadium 1: Bonds drehen nach oben und Zinsen fallen – Aktien und Rohstoffe fallen
- Stadium 2: Aktien steigen – Rohstoffe fallen, Bonds steigen
- Stadium 3: Rohstoffpreise steigen – Alle drei Märkte steigen
- Stadium 4: Bonds drehen nach unten und Zinsen steigen – Aktien und Rohstoffe steigen
- Stadium 5: Aktienkurse fallen – Bonds fallen, Rohstoffe steigen
- Stadium 6: Rohstoffpreise steigen – alle drei Märkte fallen
Strategien nach Konjunkturzyklus
Lazard Asset Management hat in einer Studie überprüft, wie sinnvoll es ist, die Konjunkturphasen in die Anlageentscheidung einfließen zu lassen. Dabei haben sie den Konjunkturzyklus in vier unterschiedliche Phasen mit bestimmten Merkmalen eingeteilt:
- Abschwung und Tiefstand
- Tiefstand und Aufschwung
- Hochkonjunktur
- Abschwung
In den ersten beiden Konjunkturphasen entwickeln sich Aktien in der Regel am Besten, in den letzten beiden hingegen Rohstoffe. Allerdings betrachteten sie zusätzlich noch das Risiko über die Sharpe-Ratio. Wird auch diese miteinbezogen, sind Anleihen in der ersten Phase aufgrund des hohen Risikos der Aktienanlage im Vorteil.
Im Anschluss daran simulierten sie mit der Hilfe von Daten aus der Vergangenheit die Rendite der bei der Investition in Aktien, Rohstoffen und festverzinslichen Wertpapieren in der jeweils optimalen Phase. Als Ergebnis konnte sie eine jährliche Rendite zwischen 16,0 % (risikoadjustiert) und 16,5 % (renditeadjustiert) erzielen. Die Volatilität betrug 0,17 (0,19), Sharpe Ratio 0,86 (0,8) und das Maximum Drawdown 18,5 % (26,5 %).
Allerdings hat die Strategie einen entscheidenden Haken für Privatanleger: Aufgrund der häufigen Umschichtungen, die bis zu viermal jährlich notwendig werden, müssten Anleger nicht nur einen zu hohen Zeitaufwand in Kaufnehmen, der sich für Privatanleger kaum rechnen dürfte, sondern auch die Rendite verringert sich aufgrund der Transaktionsgebühren deutlich.
Fazit:
Welche Anlageklasse am renditeträchtigsten ist, hängt auch vom Konjunkturzyklus ab. Viele Studien weisen darauf hin, dass Aktien und Anleihen vor und während des Aufschwungs sind Aktien und Anleihen am besten geeignet sind und danach von Rohstoffen abgelöst werden. Problematisch ist allerdings, den Übergang zuverlässig zu erkennen, um kein zu großes Risiko einzugehen. Zudem erhöhen sich dadurch die Transaktionskosten deutlich, was die Rendite wiederum deutlich schmälern kann.